In Südtirol leben rund 400 hörgeschädigte und gehörlose Menschen. Sie sprechen die italienische und/oder eine deutsche Gebärdensprache. Ja, richtig gelesen: Deutsche Gebärdensprache ist nicht gleich deutsche Gebärdensprache. Und das kann zu so manchem Problem führen.
Zwar liegen keine genauen Zahlen vor, aber man geht davon aus, dass in Südtirol mehrheitlich die deutschen Gebärdensprachen verwendet werden. Zu diesen gehören unter anderem die Deutsche Gebärdensprache, die Österreichische Gebärdensprache und die Deutsch-Schweizer Gebärdensprache. Aufgrund der kulturellen und geografischen Nähe zu Österreich ist der in Südtirol verwendete deutsche Gebärdensprachendialekt vor allem mit der Österreichischen Gebärdensprache verwandt.
Die Gleichstellung von Lautsprache und Gebärdensprache
In Europa leben rund 72 Millionen hörgeschädigte und gehörlose Menschen, die zusammen mehr als 200 verschiedene Gebärdensprachen nutzen. In einigen Ländern sind diese Gebärdensprachen den Lautsprachen gleichgestellt. In Deutschland etwa wurde die Deutsche Gebärdensprache 2002 durch das Bundesgleichstellungsgesetz als eigenständige Sprache anerkannt. Auch in Österreich ist die Österreichische Gebärdensprache mittlerweile in der Bundesverfassung verankert. In vielen anderen Ländern hingegen, sind die Gebärdensprachen den Lautsprachen nicht gleichgestellt.
Solange Gebärdensprachen staatlich nicht anerkannt sind, bleiben Gehörlose benachteiligt, da ihnen der Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen aus dem täglichen Leben verwehrt bleibt. Besonders große Schwierigkeiten haben Gehörlose etwa in der Kommunikation mit Behörden. Aber auch in zahlreichen anderen Situationen wie beispielsweise bei einem Arztgespräch, am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche sind Gehörlose im Nachteil. Der Beistand von Gebärdensprachendolmetschern könnte ihnen viele Alltagssituationen erleichtern.
Einen solchen Beistand fordert etwa der Monitoringausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der in Südtirol die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertritt und darüber wacht, dass ihre Rechte gewahrt werden. Mit Übersetzungsdienstleistungen in Gebärdensprache könnten Gehörlose Zugang erhalten zu nötigen Informationen und Unterstützung bei der Nutzung verschiedenster Dienste im täglichen Leben.
Der kleine aber feine Unterschied entscheidet
In Italien wurden bereits erste Schritte unternommen, um die italienische Gebärdensprache staatlich anzuerkennen. Für die deutschsprachigen Gehörlosen in Südtirol wurde in Rom die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache vorgesehen. Dies ist jedoch unvorteilhaft, da man in Südtirol einen Gebärdensprachendialekt nutzt, der viel eher mit der Österreichischen Gebärdensprache vergleichbar ist. Die bessere Lösung wäre daher die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache.
Wichtig ist das deshalb, weil zum Beispiel finanzielle Förderungen oder die Anerkennung von sprachlichen Ausbildungen nur für die Deutsche Gebärdensprache gelten würden, also für eine Sprache, die hier in Südtirol so gut wie gar nicht gesprochen wird. Für die tatsächlich genutzte Österreichische Gebärdensprache hingegen, gäbe es dann keine Unterstützung.
Die Landtagsabgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit, Myriam Atz Tammerle und Sven Knoll, fordern deshalb in ihrem Beschlussantrag, dass sich die Landesregierung und die Südtiroler Parlamentarier in Rom dafür einsetzen, dass für Südtirol nicht die Deutsche, sondern die Österreichische Gebärdensprache anerkannt wird. Außerdem fordern sie, dass in Südtirol eine Zweigstelle des Österreichischen Gehörlosenbundes und des Österreichischen Gebärdensprach-DolmetscherInnen- und -ÜbersetzerInnen-Verbandes eingerichtet wird, damit die deutschsprachigen Südtiroler Gehörlosen eine Anlaufstelle in ihrer Muttersprache haben.