Für viele Menschen gehört es zu einem gelungenen Leben dazu, eigene Kinder zu haben. Manche können aber aus den unterschiedlichsten Gründen keine Kinder bekommen. Die sogenannte „Reproduktionsmedizin“ hat inzwischen zwar große Fortschritte gemacht, doch auch sie hat Grenzen. Und wenn Paare ihren Kinderwunsch nicht durch künstliche Fortpflanzung verwirklichen können, begeben sie sich oftmals auf die Suche nach einer Leihmutter.
Ist Leihmutterschaft erlaubt? Die Antwort des Gesetzes.
In Italien ist die Leihmutterschaft verboten. Laut Gesetz Nr. 40 vom 19. Februar 2004, Artikel 12, Absatz 6 wird jede Person bestraft, die eine Leihmutterschaft betreibt, organisiert oder bewirbt. Das Gesetz sieht in solchen Fällen eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren sowie eine Geldstrafe zwischen 600.000 Euro und 1 Million Euro vor. In anderen europäischen Ländern und vor allem in Drittstaaten, wie Indien, Kanada oder den USA, ist die Leihmutterschaft erlaubt. Dies hat dazu geführt, dass inzwischen viele italienische Paare ins Ausland reisen, um dort „ihr“ Kind von einer Leihmutter austragen zu lassen. Diese Art von Reisen nennt man auch „Reproduktionstourismus“.
Man unterscheidet zwei Arten von Leihmutterschaft. Zum einen jene Leihmutterschaft, bei der der Leihmutter die Eizelle der beauftragenden Mutter eingepflanzt wird, die zuvor mit dem Sperma des beauftragenden Vaters befruchtet wurde. Die Leihmutter übernimmt in diesem Falle also „nur“ die Schwangerschaft und die Geburt. Bei einer zweiten Art der Leihmutterschaft hingegen spendet die Leihmutter auch ihre Eizelle, die mit dem Sperma des beauftragenden Vaters befruchtet wird. Egal welche Art der Leihmutterschaft auch in Anspruch genommen wird, in Italien wird die Elternschaft nicht automatisch anerkannt, denn hierzulande gilt diejenige Frau als Mutter, die das Kind geboren hat. Wenn die beauftragenden Eltern also mit ihrem neugeborenen Kind nach Italien zurückkehren, müssen sie es erst als ihr Kind anmelden. Dies ist eine heikle Angelegenheit, die etwa auch zu einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung führen kann. (In diesem Video erklärt die Anwältin Ida Parisi, wie die Anerkennung der Elternschaft funktioniert.)
Auch im Südtiroler Landtag wurde über das Thema debattiert. Alessandro Urzì von Alto Adige nel cuore-Fratelli d’Italia hat die Südtiroler Landesregierung in einem Beschlussantrag dazu aufgefordert, sich im italienischen Parlament für eine Gesetzesinitiative einzusetzen, welche die Leihmutterschaft auch dann als Straftatbestand ansieht, wenn sie im Ausland erfolgt. Rita Mattei von der Lega Salvini Alto Adige Südtirol unterstützte diesen Antrag. Sie sah in der Leihmutterschaft, ebenso wie Urzì, eine Ausbeutung der Frau als Fortpflanzungsapparat und eine Kommerzialisierung des Kindes als Ware, die man nach Belieben kaufen kann. Andere Abgeordnete hingegen, wie etwa Gerhard Lanz von der Südtiroler Volkspartei, Brigitte Foppa von den Grünen und Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit, gaben zu bedenken, dass die Leihmutterschaft nicht per se verurteilt werden kann. Man müsse das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und bewerten. Häufig sei die Leihmutterschaft die letzte Möglichkeit für ein Paar, seinen Kinderwunsch zu erfüllen und es gäbe Fälle, in denen Leihmütter weder ausgebeutet noch bezahlt werden. (Die ganze Debatte zum Beschlussantrag liest du hier und hier.)
Ist Leihmutterschaft erlaubt? Die Antwort der Medizinethik.
Die Antwort des Gesetzes ist klar: Leihmutterschaft ist nicht erlaubt. Doch wie steht es mit der Moral? Kann man die Leihmutterschaft gutheißen oder nicht? Gibt es ein Recht auf Elternschaft? Ist der „Beruf“ der Leihmutter ein Beruf, wie jeder andere? Welche Auswirkungen hat die Leihmutterschaft auf das Leben des Kindes? All diese Fragen stellen uns vor große Herausforderungen, denn sie sind nicht so einfach zu beantworten.
Daher beschäftigt die Leihmutterschaft nicht nur die Reproduktionsmediziner, sondern auch die Medizinethiker, bzw. Bioethiker, also jene Menschen, die sich mit der Frage auseinandersetzten „Was darf Medizin?“. In Italien gibt es das Nationale Komitee für Bioethik, das sich mit dieser Frage beschäftigt. Es ist ein Beratungsorgan der Regierung, des Parlaments und aller anderen Institutionen. Am 18. März 2016 hat es einen Beschlussantrag verabschiedet, in dem es die Leihmutterschaft als ein Vertrag bezeichnet, der sich nachteilig auf die Würde der Frau und des Kindes auswirkt. Zum einen werde der weibliche Körper und seine Fortpflanzungsfähigkeiten vermarktet und benutzt und zum anderen werde das Kind wie eine Ware kommerzialisiert. Beides stehe im Gegensatz zu den Grundprinzipien der Bioethik, so das Komitee.
Das Ethikkomitee des Landes Südtirol äußert Bedenken gegenüber künstlicher Fortpflanzung im Allgemeinen. In seiner Stellungnahme weist es darauf hin, dass es bei der Fortpflanzung nicht nur um die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben geht, sondern auch um die Verantwortung für einen anderen Menschen. Die Verantwortung für das erwartete Wunschkind sowie dessen Wohl seien von Anfang an mit zu berücksichtigen. Es sei also notwendig, die Paare mit psychosozialer Beratung zu begleiten und sie über alle Alternativen zur künstlichen Befruchtung und Leihmutterschaft zu beraten, so das Komitee.
Ist Leihmutterschaft erlaubt? (K)eine Antwort.
„Ein ethisches Grundprinzip besagt, dass die Lösung eines Problems nicht mehr Fragen aufwerfen bzw. Probleme schaffen soll, als man dadurch lösen kann.“, so das Landesethikkomitee. Die Leihmutterschaft wirft viele Fragen auf: Gibt es ein Recht auf ein Kind? Gibt es ein Recht darauf, mit der leiblichen Mutter aufzuwachsen? Darf Leben gegen Bezahlung erschaffen werden? Bedeutet Leihmutterschaft die Reduzierung des Körpers der Frau auf ihre Fortpflanzungsfähigkeit? Hat die Leihmutterschaft Auswirkungen auf die Identitätsbildung des Kindes? Verändert Leihmutterschaft unser Menschenbild? usw.
Die Fragen, die sich stellen sind mannigfaltig und zeigen, dass die Frage danach, ob Leihmutterschaft erlaubt ist oder nicht, nicht so einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Es müssen viele Aspekte in Betracht gezogen und gegeneinander abgewogen werden. Der Gesetzgeber hat dies getan und sich dafür entschieden, die Leihmutterschaft zu verbieten. Eine eindeutige Antwort auf die moralische Frage bleibt jedoch aus.
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- Die ethischen Herausforderungen der modernen Ge- und Reproduktionstechnologien, Karina Pinter
Quellenverzeichnis
- Gesetz Nr. 40 vom 19. Februar 2004, Artikel 12, Absatz 6
- Anwältin Ida Parisi zur Anerkennung der Elternschaft
- Beschlussantrag Nr. 351/20-XVI
- Pressemitteilung des Südtiroler Landtags vom 13.01.2021
- Pressemitteilung des Südtiroler Landtags vom 13.01.2021
- Beschlussantrag des Nationalen Komitees für Bioethik
- Stellungnahme des Südtiroler Ethikkomitees